Energy Drinks – Zaubertränke oder fauler Zauber?

Dr. med. Kerstin Schönhoff

Immer wieder geraten Energy Drinks wie Red Bull® u.a. in den Mittelpunkt der Medien, oft genug in Verbindung mit unerwünschten oder sogar fatalen Wirkungen wie zum Beispiel 2012 im Fall einer 14jährigen Schülerin aus den USA, die nach Genuss von zwei Dosen Monster Energy® an Herzrhythmusstörungen aufgrund einer Koffeinvergiftung starb. Da gibt es einem nun doch zu denken, dass sich die ansprechend bunten Dosen in den Getränkeregalen der Supermärkte breit machen und man immer mehr Jugendlichen und sogar Kindern auf der Straße begegnet, die diese offensichtlich konsumieren. Sind die Getränke wirklich unbedenklich oder gar nützlich wie einem die Werbung das suggeriert? Verleihen sie wirklich Flügel?

Was sind Energy Drinks eigentlich?
Energiegetränke bestehen hauptsächlich aus Wasser, Zucker oder SĂĽssstoff und Koffein. DarĂĽber hinaus enthalten sie oft Taurin sowie verschiedene Vitamine, Kohlenhydrate, Farbstoffe und Aromen. FĂĽr das Koffein ist die anregende Wirkung, die im Marketing der Getränke so wirkungsvoll eingesetzt wird, hinreichend belegt. Alle anderen Bestandteile haben trotz ihrer klingenden Namen keinen sicher nachgewiesenen leistungssteigernden Effekt.   

Situation in Deutschland
In Deutschland sind seit 2013 für die hier vertriebenen Energy Drinks Grenzwerte für einige Inhaltsstoffe in der "Fruchtsaft-und Erfrischungsgetränkeverordnung" festgelegt. Laut dieser handelt es sich bei Energiegetränken um koffeinhaltige Erfrischungsgetränke, deren Höchstgehalt an Koffein auf 320 mg/l begrenzt ist. Der Grenzwert für Taurin liegt bei 4000 mg/l, für Inosit, einem Süssstoff, bei 200 mg/l und für Glucuronolacton, einem Kohlenhydrat, bei 2400 mg/l.

Ebenfalls in Deutschland gilt, dass auf Getränken, deren Koffeingehalt 150 mg/l übersteigt – und dazu zählen quasi alle Energy Drinks – der Hinweis "erhöhter Koffeingehalt", gefolgt von der tatsächlichen Menge (in mg/100ml) angebracht sein muss. Seit Dezember 2014 sollte diese Warnung außerdem um den Satz "Für Kinder und Schwangere oder stillende Frauen nicht empfohlen" erweitert sein. Allerdings ist es möglich, das der wahre Koffeingehalt des Getränkes, welches man in Händen hält, durchaus um einiges höher als deklariert ist, da vielen Drinks natürliche Koffeinlieferanten wie z. B. Guarana, Kola Nuss, Mate oder Kakao zugesetzt sind. Eine Deklarationspflicht für den Koffeingehalt dieser Komponenten besteht aber nicht.

Interessanterweise unterliegen die sogenannten Energy Shots, die ein Vielfaches an Koffein enthalten können (z. B. Red Bull Energy Drink® 305 mg Koffein/l versus Red Bull Energy Shot® 1240mg Koffein/l) weder den Grenzwerten noch der Deklarationspflicht, da sie als Nahrungsergänzungsmittel verkauft werden und daher nicht in die o. g. Verordnung fallen. Hier ist lediglich die Angabe einer Verzehrsempfehlung vorgesehen, die im Fall Red Bull® bei "einer Portion pro Tag" liegt, womit man allerdings mit einer 60 ml Portion Shot soviel Koffein zu sich nimmt wie mit einer 250 ml Portion ®Energy Drink. Diese Tatsache hat das Bundesamt für Risikoberwertung (BfR) 2009 dazu bewogen, die Empfehlung auszusprechen, das Inverkehrbringen von Energy Shots zu unterbinden, da man mit einem nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch und somit mit den entsprechenden unerwünschten Wirkungen durch erhöhte Koffeinaufnahme rechnen müsse. Und das, obwohl das Institut kein gesundheitliches Risiko beim Verzehr der empfohlenen Tagesration des Produktes sieht. Allerdings ließe sich das Verbraucherverhalten allein durch eine Verzehrsempfehlung nicht ausreichend beeinflussen und man bewerte das Produkt daher in diesem Sinne als nicht sicher [1]. Dennoch ist der Red Bull Energy Shot® unverändert seit dem Herbst 2009 auch in Deutschland erhältlich.
Im Juli 2013 hat die Stiftung Warentest 24 verschiedene Energy Drinks und einen Energy Shot untersucht und festgestellt, dass ein Drink (US Produkt) aufgrund eines deutlich erhöhten Koffeingehaltes nicht in Deutschland verkauft werden dürfte, auch weil bei diesem Produkt die Kennzeichnungspflicht nicht eingehalten worden war. Infolge dieser Feststellung wurde es vom Hersteller vom Markt genommen. Alle anderen Produkte hielten sich, zumindest was den Koffeingehalt anbelangte, an die vorgeschriebenen Grenzwerte. Das Anbringen der entsprechenden Hinweise wurde durch alle Hersteller erfüllt, einige Produkte waren sogar mit freiwilligen Hinweisen versehen [2].

Konsumverhalten
“Die Dosis macht das Gift.” [Paracelsus]
Unumstritten ist wohl, dass der Markt für Energiegetränke boomt. Red Bull®, um den prominentesten Vertreter zu nennen, wird weltweit in 166 Ländern verkauft. 2013 wurden 5,38 Milliarden Dosen davon unter die Leute gebracht, nicht zuletzt durch geschicktes Marketing, welches insbesondere mit dem Sponsoring populärer Sportler und Sportarten den körperlich und geistig gestärkten Siegertypen zu einem erstrebenswerten Ideal macht.

Bereits kurz nach der EinfĂĽhrung der Energy Drinks in Deutschland zeigte eine Studie von 1996, die 1265 Heranwachsende befragte, dass nahezu alle wussten, dass diese Getränke auf dem Markt erhältlich sind und die Hälfte bereits eigene Erfahrungen damit gesammelt hatten. Davon tranken wiederum ein Viertel weniger als eine Dose pro Woche, 7% aber bis zu 7 Dosen pro Woche. Bei den 10 bis 13-Jährigen hatten ein Drittel der Mädchen und  die Hälfte der Jungen Energy Drinks probiert, 5% der Mädchen und 23% der Jungen tranken sie regelmäßig in moderaten Umfang (bis eine Dose/Woche). Beunruhigenderweise fand sich aber bereits zu diesem Zeitpunkt eine kleine Gruppe von Kindern, die ĂĽber einen extrem hohen Konsum berichteten.

Das bereits erwähnte BfR befragte im Herbst 2012 über 500 Besucher auf diversen Musik- und Sportveranstaltungen [3] zu ihrem Konsumverhalten bezüglich Energiegetränken unter Berücksichtigung von Risikofaktoren wie Schlafentzug, körperlicher Anstrengung und Alkohol. Dabei fand sich, dass insbesondere Männer im Alter von 20 bis 25 Jahren im Durchschnitt einen Liter der Engery Drinks innerhalb von 24 Stunden bis hin zu maximal 5 Litern in 24 Stunden konsumierten, und zwar gemischt mit alkoholischen Komponenten, zumeist Wodka. Zum Trinken motiviert werden die Konsumenten durch die versprochene gesteigerte Leistungsfähigkeit und Wachheit wie auch den Geschmack. Mögliche Gesundheitsrisiken durch den exzessiven Genuss werden von Ihnen dabei nicht befürchtet. Daraufhin empfahl das BfR den Hinweis auf mögliche unerwünschte Wirkungen im Zusammenhang mit Alkohol oder ausgiebiger sportlicher Betätigung auf den Getränkeverpackungen anzubringen.

Eine Studie der Europäischen Behörde fĂĽr Lebensmittelsicherheit (Efsa) hat aus den Angaben von ĂĽber 52 000 Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern aus 16 EU-Mitgliedsstaaten Informationen zum Energy Drink-Konsum gesammelt. Dabei wurde festgestellt, dass ein Viertel der Kinder (3 - 10 Jahre), ein Drittel der Erwachsenen (18 - 65 Jahre) und drei Viertel der Jugendlichen (10 - 18 Jahre) regelmäßig Energiegetränke zu sich nehmen. Jeder Zweite mischt sie mit Alkohol und auch im Sport sind sie bei der Hälfte der Konsumenten ein unentbehrlicher Helfer. Dabei belegt Deutschland einige nur vermeintlich erstrebenswerte Spitzenplätze: mit 11% bzw. 17% stellen wir die höchste Rate an Hochverzehrern (Mindestmenge von 1 Liter auf ein Mal) unter den jungen Erwachsenen und den Jugendlichen. Beim Mischen mit Alkohol liegen wir mit 67%  (junge Erwachsene) vorne und in der Kindergruppe (Untergruppe 6 -1 0-Jährige) lässt sich hier mit 0,6l pro Woche der höchste pro-Kopf-Verbrauch dokumentieren. Die daraus entstehenden Belastungen mit den Inhaltsstoffen Koffein, Taurin und Glucuronolacton waren bei Kindern mit 1,13 und 5mg/kg pro Tag am höchsten [4].

Hauptbestandteile und deren Wirkungen
Geben uns diese Zahlen mehr als nur zu denken? Was ist nun wirklich drin? Wie wirkt es? Und wie wirkt es auf wen?
Koffein, einer der Hauptbestandteile von Energy Drinks, ist die weltweit einzige psychoaktive Substanz, die auch fĂĽr Kinder, völlig frei in Lebensmitteln und Speisen zugänglich ist. Es antagonisiert den Adenosin- und Benzodiazepinrezeptor und wirkt als Phosphordiesterasehemmer.  
In geringen Dosen (10 - 100 mg pro Tag) kommt seine anregende Wirkung zum Tragen, es stimuliert dann vorrangig das zentrale Nervensystem, da es die Bluthirnschranke fast ungehindert passiert. Dabei werden psychische Grundfunktionen wie Antrieb und Stimmung beeinflusst, die Konzentration wird gesteigert und Ermüdungserscheinungen werden beseitigt (Verbesserung der mnestischen Funktionen). Es gibt auch Hinweise darauf, dass Koffein zu einer Verbesserung des Langzeitgedächtnisses beitragen kann sowie bei Langzeitgebrauch das Risiko einer Parkinson-Erkrankung und dementieller Prozesse reduziert.

In höheren Dosen kommt es zu einer Anregung des Kreislauf- und des Atemzentrums sowie einer zentralnervös erregenden Wirkung infolge zusätzlicher Stimulation motorischer Gehirnzentren. Es kann zu einer euphorischen Stimmungslage kommen. Allerdings fällt eine minimale Verschlechterung der Geschicklichkeit auf, die insbesondere die Koordination betrifft. Im Weiteren verursacht es eine Verengung der Koronar- und Hirngefässe, erhöht die Herzfrequenz (positive Chronotropie) und die Kontraktilität des Herzmuskels (positive Inotropie). Es kommt zu einer Blutdruckerhöhung. Die glatte Muskulatur (Organmuskulatur) wird entspannt, die Skelettmuskulatur stimuliert. Gleichzeitig vermindert Koffein die Aufnahme von Zucker in die Körperzellen, d .h. der Blutzuckerspiegel steigt an (reduzierte Insulin-Sensitivität). Es wirkt als mildes Diuretikum, d. h. Urinaussscheidung sowie die Schweisssekretion wird verstärkt, wodurch es zu einer Veränderung der Blutsalze (Elektrolyte) führt, die wiederum bei der Erregungsbildung und -ausbreitung insbesondere an der Herzmuskelzelle eine zentrale Rolle spielen. Koffein erhöht die Atemfrequenz, erweitert die Bronchien. Des Weiteren sind entzündungshemmende und somit bronchoprotektive Effekte beschrieben.

Bereits bei kurzfristigem Konsum (6 bis 15 Tage) hoher Koffeindosen kommt es zu einer Toleranzentwicklung gegenüber dem Stimulanz und die anregende Wirkung des Koffeins ist dann stark eingeschränkt. Konsekutiv treten Entzugssymtome wie z. B. Kopfschmerzen, Erschöpfung bis hin zu grippeähnlichen Symtomen auf.

Eine tägliche Aufnahme von bis zu 400 mg pro Tag gilt fĂĽr einen gesunden Erwachsenen als unbedenklich, akute Vergiftungserscheinungen können sich je nach Gewöhnung jedoch bereits bei 1g einstellen. Ein Gramm Koffein entspricht dabei der Dosis in 10 Litern handelsĂĽblicher Cola oder 12 Dosen eines handelsĂĽblichen Energy Drinks (Ă  250 ml) respektive 12 Dosen eines handelsĂĽblichen Energy Shots (Ă  60 ml). Die Zeichen einer akuten Koffeinintoxikation sind vielfältig und reichen von Ăśbererregbarkeit, Angstzuständen, unkontrollierbarem Zittern und Schlaflosigkeit bis hin zu Herzrasen, Ăśbelkeit und Erbrechen. Hinzu können schwerwiegendere Symptome wie starke Bauchbeschwerden, Hypokaliämien, Halluzinationen, erhöhter Schädelinnendruck mit Hirnödem (Schwellung), Schlaganfall, Lähmungserscheinungen, Muskelzellzerfall, wechselnde Bewusstseinsstörungen, zerebrale Krämpfe und höhergradige Herzrhytmusstörungen sowie ein plötzlicher Herztod kommen. Die tödliche Koffein-Dosis liegt bei 5 - 10 g.  

In der Schwangerschaft werden Koffeinmengen von mehr als 300 mg pro Tag mit einer erhöhten Rate an Fehlgeburten oder auch einem zu niedrigem Geburtsgewicht assoziiert. In einer Empfehlung von 2010 stuft das American College of Obstetricians and Gynecologists eine Dosis von bis zu 200 mg Koffein pro Tag jedoch als unbedenklich ein.

Wie sieht es nun mit der Wirkung von Koffein, der Hauptkomponente der Energy Drinks auf Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene aus? Welche Effekte sind bei Kindern z. B. mit Erkrankungen des Herzens, der Leber oder Nieren, mit Diabetes oder mit Verhaltensauffälligkeiten ggf. in Kombination mit regelmäßig eingenommenen Medikamenten zu erwarten?
Aufgrund dieser drängenden Frage hat eine amerikanische Forschergruppe [5] 2011 eine systematische Literatursuche durchgeführt und dabei interessante Daten zusammengetragen:
Kinder und Heranwachsende sollten täglich nicht mehr als 100 mg Koffein zu sich nehmen (respektive 2,5 mg pro kg/Tag). Nur zur Verdeutlichung: mit 1 Dose Red Bull® (80 mg Koffein) ist dieser Wert bei einem 35 kg schweren Kind/Teenager schon fast erreicht. AuĂźerdem ist unklar, ob die Effekte von Koffein beim Erwachsenen so einfach auf Kinder ĂĽbertragen werden können. In einer vergleichenden Studie zeigten sich bei jeweils 26 Jungen und Männern nach Koffeinkonsum ähnliche Effekte auf den Blutdruck, allerdings fielen die Jungen durch eine erhöhte motorische Aktivität und  Sprachgeschwindigkeit in Kombination mit einer erniedrigten Reaktionszeit auf.
Koffein kann die Aufmerksamkeit bei Kindern steigern, allerdings erhöht es den Blutdruck und fördert Schlafstörungen. Nach Beenden einer regelmäßigen Koffeinaufnahme verschlechtert sich bei Kindern deren Aufmerksamkeitsspanne und Reaktionszeit. Gleichzeitig finden sich diese Effekte aber auch bei erhöhter Koffeinaufnahme. Ein interessanter und brisanter Punkt ist, dass Koffein möglicherweise die zukünftige Nahrungs- und Getränkewahl der Kinder über ein Einwirken auf das sich noch entwickelnde Gehirn langfristig beeinflusst. Dabei scheint es einen geschlechterspezifischen Effekt zu geben, da in einer Studie Jungen im Alter von 12 bis 17 Jahre deutlich mehr auf die "stärkende Wirkung" des Getränkes ansprachen als Mädchen - und das unabhängig vom gewohnten Koffeinkonsum.

Taurin ist ein weiterer wesentlicher Bestandteil der Energy Drinks. Dabei handelt es sich um einen körpereigenen Stoff, der sich gewöhnlich in Muskelzellen, im Herzen, Blut und Gehirn findet. 3 g Taurin pro Tag gelten für den gesunden Erwachsenen auch langfristig als unbedenklich und nebenwirkungsfrei. Dieser Wert kann bei überdurchschnittlichem Energy Drink-Konsum nur allzu leicht überschritten werden, da zum Beispiel Red Bull® einen Tauringehalt von mehr als 4 g/l hat.
Die physiologischen Effekte des Taurin sind nicht alle erschöpfend untersucht, es ist allerdings gesichert, dass es über Beeinflussung von Membranprozessen, nämlich die Freisetzung von Calcium aus dem endoplasmatischen Retikulum, die Schlagkraft des Herzen steigert und antiarrhythmisch wirkt. Es wird außerdem vermutet, dass es über den Insulinspiegel Stoffwechselvorgänge moduliert, was weitere synergistische Effekte von Taurin in Verbindung mit Koffein und Zucker erklären könnte. Die Daten zu den potentiellen synergistischen Wirkungen des Taurin sowie übrigens zu allen sonstigen Bestandteilen der Energy Drinks sind spärlich und widersprüchlich, jedoch scheint unumstritten, dass es diese gibt.

In einer Studie zeigte sich bei 13 trainierten Männern nach Gabe eines koffein- und taurinhaltigen Getränkes eine Steigerung der Kontraktilität des linken Vorhofes sowie eine Erhöhung des Schlagvolumens der linken Herzkammer. Bei der Vergleichsgruppe, die nur ein Koffein erhalten hatte, blieb dieser Effekt aus. Diese Wirkung wird auch durch eine Untersuchung einer italienischer Gruppe [6] bestätigt. Gesunde Männer wurden eine Stunde nach Gabe eines koffein- und taurinhaltigen Energy Drinks echokardiographisch untersucht. Dabei zeigte sich eine Steigerung der Kontraktilität der rechten und linken Herzkammer. Dabei bleibt unklar, ob der positive Effekt bei anhaltendem Konsum erhalten bleibt, auch ist die Situation unter körperlicher Belastung nicht untersucht. Nicht zuletzt ist zu diskutieren, ob Menschen mit Herzerkrankungen von diesem Effekt profitieren oder ob es hierbei gar zu einer Schädigung dieser Personen kommen kann.

Eine aktuelle Studie an 25 gesunden jungen Erwachsenen konnte in einem methodisch aufwendigen Ansatz zeigen, dass der Konsum von Red Bull® im Vergleich zu Leitungswasser den systolischen und diastolischen Blutdruck ansteigen lässt, die Herzfrequenz und das Schlagvolumen des Herzens steigert und mit einer Verringerung der Durchblutung der Hirngefässe einhergeht [7], was die Autoren - zu Recht - die vom Hersteller beworbene Wirkung der Verbesserung des mentalen Profils des Konsumenten hinterfragen lässt.

Amerikanische Wissenschaftler kamen durch Analyse mehrerer epidemiologischer und interventioneller Studien ebenfalls zum Schluss, dass der Konsum von Energy Drinks den Blutdruck signifikant erhöht, es aber außerdem zu Störungen des physiologischen Herzrhythmus kommen kann [8]. Zunächst wurden Daten von Personen, die gerade 1 bis 3 Dosen Energy Drink konsumiert hatten, im Hinblick auf die Länge des sogenannten "QT-Intervals" untersucht. Dabei fand sich bei diesen eine Verlängerung dieses Intervals um 10 Millisekunden.
Das QT-Interval beschreibt ein bestimmtes Segment der Herzrthythmus im EKG und damit der Ausbreitung der elektrischen Erregung im Herzmuskel. Bei Verlängerung dieses Segmentes kann dies schwerwiegende Herzrhythmusstörungen hervorrufen, ggf. assoziiert mit einem plötzlichen Herztod. Die gepoolten Daten schlossen Studien mit jungen, gesunden Personen (Alter 18 - 45 Jahre) ein. Die Forscher warnten unter anderem davor, dass bei älteren Personen und/oder solchen mit kardiovaskulären Erkrankungen vermehrt Nebenwirkungen nach Konsum von Energy Drinks zu befürchten seien. Ebenfalls sollten Personen mit bekanntem Bluthochdruck oder Long-QT-Syndrom vom Genuss solcher Getränke Abstand nehmen.
 
Auch der ehemalige Präsident der American Heart Association, Gordon Tomaselli, zieht in einem Kommentar zu dieser Studie ein sehr kritisches Resumee bezüglich der Energy Drinks [9]. Er unterstreicht die Bedeutung der dokumentierten QT-Zeit-Verlängerung bei der Entstehung schwerer, potenziell tödlicher Herzrhythmusstörungen und empfiehlt Personen, die eine kardiovaskuläre Erkrankung oder eine Vorgeschichte mit Herzrhythmusstörungen haben, die Getränke zu meiden. Personen mit einer entsprechenden Familiengeschichte sollten sich vor dem Konsum zumindest ärztlich untersuchen lassen. Bei Personen, die regelmäßig Medikamente einnehmen, ließen sich Interaktionen nicht ausschließen, auch hier empfiehlt er die Rücksprache mit einem Arzt. Er geht soweit, die Energy Drinks potenziell als “Medikament” zu bezeichnen, da sie einen nachgewiesenen pharmakologischen Effekt haben. Letztendlich müsse der Konsument sensibilisiert werden für Symptome, die über einen anregenden Effekt hinausgingen, um sich ggf. rechtzeitig notfallmäßig in ärztliche Behandlung zu begeben.

In Frankreich wurden diese Art Energy Drinks erst 2008 zugelassen. In einem kürzlich veröffentlichten Register hinsichtlich unerwünschter Nebenwirkungen nach Konsum von Energy Drinks wurden von 2009 bis 2012 212 Fälle gemeldet [10]. Davon fanden sich 95 Fälle mit Nebenwirkungen, die das Herz-Kreislaufsystem betrafen, 74 waren psychiatrischer Natur und 57 neurologisch. Zum Teil kam es zu sich überlappenden Symptomen. In 8 Fällen kam es zu einem Herzkreislaufstillstand oder einem plötzlichen Herztod, bei 46 Personen wurden Herzrhythmusstörungen festgestellt, 13 klagten über Angina pectoris und bei 3 ließ sich eine Blutdruckentgleisung dokumentieren. Das sogenanntes “Koffein Syndrom”, welches durch eine hohe Pulsfrequenz (Tachykardie), generalisiertes Zittern, Angstzustände und Kopfschmerzen imponiert, fand sich bei 60 Personen. Auch die Autoren dieser Studie nahmen diese Analyse zum Anlass, Personen mit kardiovaskulären Vorerkrankungen vor dem unbeschwerten Genuss der Getränke zu warnen. Sie erklärten, die Drinks hätten keinen Platz bei oder nach großer körperlicher Anstrengung und das Mischen mit Alkohol führe in den meisten Fällen zur Aufnahme umso größerer Mengen der koffeinhaltigen Getränke, mit potenziell fatalen Folgen. Sie forderten Ärzte auf, die Patienten mit kardiovaskularen Erkrankungen, insbesondere aber auch junge Leute, aktiv nach ihrem Energy Drink-Konsumverhalten zu befragen und sie über die möglichen Folgen zu informieren.

In weiteren  Untersuchungen wurden Effekte auf das Gerinnungssystem wie eine gesteigerte Aktivität der Blutplättchen (Thromozytenaggregation) sowie die Gefässe im Sinne einer Schädigung der Gefässinnenhaut (Endothel) durch den Konsum von Energy Drinks nachgewiesen, wobei gezeigt werden konnte, dass das Koffein fĂĽr diesen Effekt nicht verantwortlich ist.

Die Autoren des oben bereits angesprochenen Artikels [5] ziehen aus den vorliegenden Daten Rückschlüsse auf mögliche Auswirkungen eines Energy Drink-Konsums auf die verschiedensten Organsysteme von Kindern und Jugendlichen und auf die daraus resultierenden vielfältigen unerwünschten Effekte.

Mögliche kardiovaskuläre Auswirkungen
Die stimulierende Wirkung hoher Dosen an Koffein können insbesondere dann Symptome wie Blutdruckentgleisungen, Kollapszustände mit Bewusstseinsverlust, Herzrhythmusstörungen, Angina pectoris bis hin zum plötzlichen Herztod verursachen, wenn eine Erkrankung des Herz-Kreislaufsystems besteht. Besonders im Blickfeld stehen hier die sogenannten Ionen-Kanal-Erkrankungen (z. B angeborenes Long-QT-Syndrom) und die hypertrophe Kardiomyopathie, die am häufigsten vorkommende genetische Herzmuskelerkrankung bei Kindern und jungen Erwachsenen.

Mögliche Effekte bei Hyperaktivitätssyndrom
Rund 500.000 Kinder und Jugendliche sind in Deutschland von ADHS betroffen und eine nicht unerhebliche Anzahl dieser Kinder wird aufgrund dieser Erkrankung mit Stimulanzien behandelt, die per se zu einer Erhöhung der Herzfrequenz sowie einem Ansteigen des Blutdrucks führen können. Für die Patientengruppe, die mit Methylphenidat (Ritalin®) behandelt wird, scheint es aufgrund der bekannten Kardiotoxizität des Medikamentes, ein höheres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bei Konsum von Energy Drinks zu geben. Des Weiteren ist bekannt, dass Patienten mit ADHS eine höhere Rate an Substanzenmissbrauch aufweisen, dazu gehört auch der Koffeinmissbrauch, da Koffein als zentrales Stimulanz wirkt.

Mögliche Effekte bei Essstörungen
Speziell Patienten mit Magersucht (Anorexia nervosa) scheinen Koffein in höheren Mengen zu sich zu nehmen, um die krankheitsassoziierte Müdigkeit zu antagonisieren. Des weitern hilft es, den Appetit zu senken, vergrößert die Stuhlmenge sowie die Urinausscheidung. Berücksichtigt man die Tendenz dieser Patienten für kardiale Erkrankungen und Todesfälle sowie das Auftreten von Elektrolytstörungen, so ist es nur allzu wahrscheinlich, dass durch den Konsum von Energy Drinks das Risiko für ein Auftreten von Herzrhythmusstörungen zusätzlich ansteigt.

Mögliche Effekte auf Kalorienzufuhr und bei Diabetes
Da Übergewicht ein zunehmendes Problem in unserer Gesellschaft darstellt, ist die zusätzliche Kalorienzufuhr durch Energy Drinks nicht unerheblich. Es kann hierdurch zum Ansteigen des Körpergewichtes, des Blutdruckes und des Blutzuckerspiegels kommen. Weitere Probleme gibt es im Zahnbereich oder im psychischen Bereich (Depressionen, niedriges Selbstbewusstsein). Die Kombination von Zucker und Koffein in den Drinks kann nach Konsum zur Unterzuckerung (postprandiale Hypoglykämie) führen, was insbesondere Kindern mit Diabetes extremen Schaden zufügen kann.

Mögliche Effekte auf die Knochenmineralisierung
In der Regel werden beim Heranwachsenden die Calciumdepots in den Knochen maximal aufgefĂĽllt. Sicher ist, dass Koffein mit der Calciumaufnahme im Darm interferiert, sodass eine negative Auswirkung auf die Knochenmineralisierung durch Koffeingenuss nicht auszuschlieĂźen ist.

Fazit
Derzeit kann und muss man davon ausgehen, dass Energy Drinks eine pharmakologische Wirkung besitzen, die durch die Vielzahl der angebotenen Mixturen und die nicht vollständig geklärten synergistischen Effekte der Inhaltsstoffe nur abgeschätzt werden kann. Sicher ist auch, dass man bei sensiblen Individuen wie z. B. Kindern, Jugendlichen, Schwangeren oder chronisch Erkrankten immer davon ausgehen kann, dass sich die zu erwartenden Effekte verstärken. Rechnet man das durch das aggressive Marketing der Vertreiberfirmen geförderte Fehlverhalten der zumeist jungen Konsumenten dazu, resultiert fast zwangsläufig das Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen bis hin zum plötzlichen Tod. Daran ändern auch die erweiterten Warnhinweise bzw. die Deklarationspflicht auf den Getränkepackungen nichts, die im Vergleich zum Beipackzettel der in Deutschland zwar rezeptfreien, aber immerhin apothekenpflichtigen Koffeintabletten geradezu lächerlich wirken. Aufklärung und eine frühe Sensibilisierung der Betroffenen für das Problem scheint der einzig sichere Weg aus dem Dilemma zu sein. Und eigentlich ist es ja auch ganz einfach … oder würden Sie Ihrem Kind einen doppelten Espresso zum Frühstück erlauben?

Dr. med. Kerstin Schönhoff
Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie
kerstin.schoenhoff(at)gmail.com
CH 3073 GĂĽmligen bei Bern, Schweiz

Ăśbersicht Koffeingehalt (Quelle: www.wikipedia.org)

  • Eine Tasse Kaffee (150 ml aus 4 g Kaffeebohnen) enthält etwa 40 bis 120mg.
  • Eine Tasse Espresso (30 ml) etwa 40mg Koffein.
  • Eine Tasse Schwarztee kann je nach Zubereitungsart bis zu 50mg enthalten, im Normalfall enthält eine Tasse Tee aus 1 g Teeblättern 20–40mg.  
  • Guaraná enthält 40 bis 90 mg Koffein pro 1 g in der Trockenmasse.
  • Kakao enthält mit ungefähr 6 mg pro Tasse ein wenig Koffein
  • In Schokolade findet sich Koffein (Vollmilchschokolade etwa 15 mg/100 g, Bitterschokolade bis zu 90 mg/100 g)
  • Energy-Drinks wie Red Bull (etwa 32mg/100 ml) oder Relentless Energy Shot (160 mg/100 ml)
  • Mate-Limonaden (etwa 20-25 mg/100 ml)
  • Cola-Getränke (frĂĽher mit Koffein aus der Kolanuss) Coca-Cola und Pepsi Cola: 10 mg/100 ml, Afri-Cola, fritz-kola u. ä.: 25 mg/100 ml
  • Kaffee-Bonbons (etwa 80 - 500 mg Koffein pro 100 g, etwa 3 - 8 mg Koffein pro Bonbon)
  • Koffeinhaltige Schmerzmittel mit Acetylsalicylsäure oder Paracetamol oder beiden enthalten jeweils 50 mg Koffein pro Einzeldosis
  • Koffeintabletten zur kurzfristigen Beseitigung von ErmĂĽdungserscheinungen enthalten 50 - 200 mg Koffein


Literaturhinweise

  1. www.bfr.bund.de/cm/343/gesundheitliche_risiken_durch_den_uebermaessigen_verzehr_von_energy_shots.pdf
  2. www.test.de/Energy-Drinks-Riskanter-Koffein-Kick-4573293-0/
  3. www.bfr.bund.de/de/presseinformation/2014/05/vieltrinker_von_energy_drinks_ignorieren_muntermacher_risiko-189098.html
  4. www.efsa.europa.eu/de/supporting/doc/394e.pdf
  5. Seifert SM, Schaechter JL, Hershorin ER, Lipshultz SE.,Health effects of energy drinks on children, adolescents, and young adults. Pediatrics 2001; 127, 511 - 28
  6. www.escardio.org/about/press/press-releases/esc12-munich/Pages/energy-drinks-improve-heart-function.aspx
  7. Grasser EK, Yepuri G, Dulloo AG, Montani JP. Cardio- and cerebrovascular responses to the energy drink Red Bull in young adults: a randomized cross-over study. Eur J Nutr 2014; 53: 1561 - 71.
  8. newsroom.heart.org/news/energy-drinks-may-increase-blood-pressure-disturb-heart-rhythm
  9. newsroom.heart.org/file
  10. www.escardio.org/about/press/press-releases/esc14-barcelona/Pages/energy-drink-cardiac-safety.aspx

 

 

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